Tagebuch 29. September 2004
Spanien / Camino de Santiago


vom glück und der dankbarkeit die vielfältigkeit
am rand hab ich mitgekriegt, dass glaub mal eine schaf-herde an uns vorbei gegangen ist und ein auto.. aber so richtig klar wusste ich nichts mehr.. haben wir doch 12 stunden geschlafen! gemütlich, im stärker werdenden wind, packten wir unsere sachen zusammen und weiter gings, wir verliessen also unseren ersten, genialen nächtigungs-platz.

übrigens: es war vollmond in der nacht und wir konnten nichts von der erhofften milchstrasse (die uns den weg zeigen soll) sehen.. war es doch fast taghell ;-), der mond nahm besitzt des himmels!! mir wurde auch bewusst, dass wir jetzt eine ganze mondphase unterwegs sein werden! also nochmal einen vollmond auf dem camino erleben werden.. wow!

zuerst gings noch etwas bergauf und wir konnten noch einen schafhirten beobachten, der mit seinem hund eine schafherde zusammentrieb. ein harter job würd ich sagen. auch begleiteten uns die lämmergeier wieder den ganzen tag, sie wiesen uns mal wieder den weg.. (da die sterne ja am tag eh nicht scheinen eine gute hilfe ;-).. und gelbe pfeile sind überall um uns auf dem camino auf santiago zu bringen.. da wurden wohl kübelweise farbe gebraucht und die doch fast 750 km zu markieren ;-)

dann gings das erste mal runter.. normalerweise find ich das viel einfacher als raufwandern.. aber mit dem gewicht am rücken fanden meine knie das gar nicht so toll! dafür war aber der wald um uns rum wunderschön! es riecht nach herbst! ich muss es mal wieder loswerden "ich pilgere gern mit dir (fredel).. was auch immer kommen wird, sicher nicht nur immer gute zeiten, ich bin froh dass wir diesen weg gehen können!! und ich bin dankbar für all die schönen sachen die wir bis jetzt schon machen konnten.. und wir haben einen riesen schatz gefunden: zeit!! wir haben zeit und das ist luxus pur!! danke!!! nicht jeder kann sich 30 tage zum wandern nehmen.. und wir haben noch mehr zeit.. und hatten schon zeit.. ich bin glücklich!!

bald erreichen wir mit zittrigen beinen roncevalles und machen es uns in einer gartenbeiz gemütlich. und da gesellen sich drei ältere damen zu uns. englisch sprechend, interressiert, weltoffen und komunikativ und auch auf dem weg nach santiago. es tut einfach gut solche menschen auf dem lebensweg zu treffen und zu realisieren, dass es das gute gibt! weder alter noch herkunft sind wichtig.. eifnach das blosse beisein solcher menschen (wir nennen sie später engel) tut gut und stärkt einem im eigenen weg! wir treffen die drei schwestern nochmals (eine hat ein schweizer sackmesser vergessen und musste ein stück zurück) und auch diese unterhaltung wird mir bleiben, vor allem auch der blick der einen, vielbereisten dame.. ich könnt ihn aufzeichnen.

weiter gehts des weges, voller dankbarkeit und glück. in den dörfern werden wir gegrüsst und wräen sogar zu einem schluck wein eingeladen worden.. der offerierende hatte wohl schon diverse davon intus, abe er war gut drauf und die ganze menschengruppe depattiert und refereriert und fredel grad mit.. sie wünschen uns noch einen "buon camino" und weiter gehts. beschwingt von so viel wohlwollen wandern wir weiter durch wälder und felder, kreuzen strassen, kehen kieswege rauf und runter, überqueren fast ausgetrocknete flüsse und machen dann mal mittagspause. die resten-orange unseres sangria abens vor ein paar tagen ist wohl die beste orange die ich je gegessen hab.. es ist heiss und wir haben viel geschwitzt und nun diese saftige frucht!! man braucht nicht viel um glücklich zu sein. natürlich geniess ich auch die wurst und käse, aber eben.. diese frucht ist das wahre glück in dem moment.

weiter über hügel und durch dörfer. meine beine werden langsam müde und ich realisiere, dass wir gestern doch recht viel geleistet haben. heute liegt also sicher nicht so viel drin.. und zeit die wir haben, können wir es ja gemütlich nehmen. in einem dorfladen überfallen mich die ungesunden gelüste... ein glace wird genossen!! auf die frage von fredel, ob mich das jetzt glücklich macht? ja schon, aber die orange war kein vergleich! wäre doch auch hier so einfach ;-) der körper wüsste wohl schon was er braucht..

wir sitzten nun an unseren 2. nächtigungsplatz und haben schon gestretcht und massiert und sinniert und die abendsonne auf die nackte haut scheinen lassen.. jetzt wirds schattig und wir haben zum glück unsere kuschel-schlafsis dabei. uns gehts einfach gut. vielleicht nicht unseren schultern und beinen, aber einfach so im ganzen! mir ist heute manche male durch den kopf, wie fürher dieser weg begangen wurde! ohne hightech und sicherheit! mahcmal unter einsatz des lebens wurde an den heiligen ort gepilgert! immer in der angst den weglagerern zum opfer zu fallen.. unglaublich eigentlich.. und wir, wir können dies als erfahrung in unserem leben unter die füsse nehmen.. immer und überall können wir schutz und hilfe finden.. einfach unbeschwert.. einfach und doch so lang ;-)

Weder von Schafherden noch von Bauern in Landrovern, noch von der aufgehenden Sonne lassen wir aufschrecken. Trotzdem verspüren wir aus unerklärlichen Gründen um ca. 9.30 den Drang aufzustehen.
Das zusammenräumen und je zwei Biskuitfrühstück ist im nu erledigt, und wir sind wieder auf dem, nun nur noch leicht ansteigenden Camino.

Kaum 20 Schritte gewandert lässt uns die faszination, wie eine Schäfer seinen Hund zwei Schafherden zusammentreiben lässt eine geraume Zeit stehen und staunen.
Als wir realisieren, dass wir schon wieder am Wandern sind, haben wir die Passhöhe 1400m bereits erreicht, und wir können auf der anderen Seite ins Tal richtung Roncevalles hinunterblicken.

Der Weg ändert sich radikal, und als wir uns bei einer Gabelung noch entscheiden, den etwas schwierigeren, dafür kürzeren Pfad zu nehmen, wird uns die Vielfältigkeit des Camino erstmals -und nicht zum letzten mal diesen Monat - so richtig bewusst. Im nächsten Dorf welches eher ein Bischoffsitz als ein Dorf ist, haben wir etliche höhenmeter vernichtet. Dies vorwieglich auf einem Trail der eher einem Bachbett ähnelt als einem weg, welchen um die 20'000 Pilger jedes Jahr austreten......

xBei der ausgiebigen Kaffepause lernen wir "die drei Engel für wen weiss ich" kennen. Die drei Schwestern alle um die 60, die eine mit einer Beinschine - sie hat einige Woche vor der Reise nach Europa den Fuss gebrochen, aber der Arzt meinte mit der Schine sollte das schon gehen - sind ebenfalls daran den Camino zu gehen. Auch sie haben wir nicht zum letzuten mal gesehen...

Einmal mehr ändert der Weg seine Struktur, und führt uns, recht flach durch Buchenwälder ab und zu wieder durch ein Dorf, um nur wenige Kilometer weiter über Staubstrassen und Feldwege neben Kuhwiesen, Schafherden und unter Geierschwärmen in einen Backofen zu münden.
Obwohl es schon Herbst ist, brennt die Sonne erbarmungslos, und wir sind froh, nie auf die Idee gekommen zun sein dieses Projekt im Sommer anzugehen.
Ob aller vielfältigkeit des Weges, der Landschaft und der Dörfer, das Wetter macht da nicht mit und bleibt stabil.

Auch die vielseitigkeit des geschmackes vom trinkwasser, welches wir an vielen "fuentes" brunnen wiederauffüllen können, und welches heute literweise verdunstet wird, geniessen wir wie die verschiedenen Geschmäcker von Ice Tea und Cola oder so....
Weiter des Weges, welcher nun im gepflasterten Sonntagskleid im Natursteinlook daherkommt trägt ebenfalls zur heutigen vielseitigkeit bei. Ist aber wegen seiner härte und wärmereflektion nicht wirklich beliebt bei uns.

Im letzten Dorf vor unserem Nachtlager finden wir zum Glück noch einen Vis à Vis Laden oder so. Und auch hier, wenn man sich nur richtig umsieht, die Vielseitigkeit erschlägt einen schier. D'Schine findet irgndwo in den unendlichen tiefen der Gestelle einen einsamen Plastiksuppenlöffel, welcher gleich eingepackt wird, ( just in case wenn einmal ein Joghurt oder so sie anspringen sollte...) sowie - man glaubt es kaum ein Baguette und zwei Yogi drink. So unter uns gesagt, konten wir bei dieser Hitze dann beide der versuchung eines riesen Wassergalces nicht wiederstehen, und genau die hats gebraucht für das letzte Wegstück.

Wieder anders als alles andere, und steil, oder kommt's uns nur so steil vor???
Auf jeden fall sind wir beide im wahrsten sinne des Worte erleichtert, als wir einen Schlafplatz finden, wir unsere Rucksäcke ablegen können, und uns, sichtgeschützt von ein paar Bäumen einrichten können.

Wir geniessen die Vielfältigkeit einer Rücken und Nackenmassage, legen uns nach dem Essen früh hin, und schlafen schon fast, als uns etwas hochschrecken lässt.....
Das Röhren ist recht eindrücklich, und am anfang tönte es eher wie ein Bärengebrüll, aber zu unserer beruhigung haben wir's dann als brünftige Hirsche abgetan....

Die Fotos und Videos vom heutigen Tag findest Du in der Fotogalerie!



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